Im Zeitalter des elektronischen Tanzwahns, der diktierten Vielfalt der Musik und der gecasteten „Superstars" tut es ganz gut, ein Konzert zu erleben, bei dem etwas geboten wird, das manche längst für tot erklärt haben - handgemachte Musik: fetziger Rock von den Stones bis Hendrix, urwüchsiger, powergeladener Blues wie „Little Red Rooster" oder „Hoochie Coochie Man" oder gefühlvolle Oldie-Popballaden wie Bobby Hebbs „Sunny". Wenn die Band dann auch noch mehr als drei Stunden lang für den guten Zweck rockt, dabei rund 30 Titel spielt und beim Benefizkonzert durch musikalisches Können, Spielfreude, Power und Improvisationslust überzeugt - umso besser.
Auf Einladung von „terre des hommes" Murgtal/Mittelbaden ließen es „King Henry and Friends" am Samstag im voll besetzten Theatersaal der Reithalle Rastatt ordentlich „krachen". Der Erlös kommt dem Schulprojekt „Ceprosi" zugute (siehe Stichwort). Die sieben Musiker lieferten dem Publikum eine Jam Session der speziellen Art. Attila Schumann, der den Rock und Blues liebt und lebt, gab als Lead- Gitarrist und Sänger den Ton an, überzeugte durch sein virtuoses, mal hochexplosives, mal gefühlvolles Spiel auf der zuweilen mit dem Wasserglas bearbeiteten E-Gitarre, mithin durch seinen Gesang und seine coolen Sprüche wie „Auf Leut'! Macht mol was, Stühl' umschmeiße - so wie früher". Da kam selbst Hans Florian nicht umhin zu bemerken, dass sein Kollege schon ein „besonderer Vogel" sei.
Er selbst steuerte an der geschmeidig gezupften Gitarre und als Sänger einen jazzigen Sound bei und erwies sich als exzellenter Percussionist. Thomas Fritz glänzte am Kontra- wie am E-Bass mit gekonnten Bassläufen und sorgte für „Tiefe" und einen voluminösen Background. Damit die Sache den richtigen Drive erhält, holte der deutsche Spitzendrummer Ringo Hirth aus dem Schlagzeug so ziemlich alles raus, was geht. Weil es richtig schön bluesig werden sollte, brachte Michael Heid seine „Bluesharp" meisterhaft zum Einsatz. Andi Kniep brillierte am Saxofon und im Hintergrund thronte „Band-Motor" King Henry himself.
Da der Bandleader und Pianist, der eigentlich Heinz Wagner heißt, angeblich „gerade aus Brasilien gekommen und noch voll im Fieber ist", gab's einen Überraschungsauftakt mit dem von Hans Florian geschlagenen Capoeira- Hauptinstrument Berimbau und etwas später noch eine heiße Liebeserklärung an das „Mädchen aus Ipanema". Das war's aber auch schon mit dem Abstecher nach Südamerika, den Rest des Abends hielt man sich geografisch weiter nördlich auf - und zeitlich vorzugsweise in der goldenen Ära des Rock und Blues.
Dass King Henry und seine mit der Musik ihrer Jugend auch schon etwas ergrauten Friends ihre Blues- und Rockklassiker anfangs mit etwas scheppernden Untertönen ins Publikum schickten, störte niemanden. Spätestens bei „Route 66" hielt es das begeisterte Publikum nicht mehr auf den Plätzen und stürmte den Bereich vor der Bühne.
Stichwort Projekt „Ceprosi"
Mangel an Bildung ist in vielen Ländern ein Problem - „auch in Peru und dort vor allem im Anden-Hochland", wie „terre-des-hommes"-Sprecher Wolfgang Deppisch beim Benefizkonzert für „terre des hommes" deutlich machte.
Der Erlös kommt dem Schulprojekt „Ceprosi" zugute, bei dem Tradition und Moderne, Alt und Jung in ländlichen Dorfschulen in Peru zusammengeführt werden sollen. Neben dem üblichen Unterrichtsstoff lernen die Kinder von ihren Lehrern und den Alten des Dorfes in einem generationenübergreifenden, interkulturellen Schulunterricht viel über ihre Que- chua-Kultur. Das von alters her überlieferte Wissen werde in den Schulalltag integriert und ergänze das moderne Wissen.
„Das ist kein spektakuläres Projekt. Es ist auf Nachhaltigkeit angelegt und kommt auf eher leisen Sohlen daher", sagte Deppisch. Es gelte mit dem Bildungsprojekt „Schule mit zwei Wissen" traditionelle und moderne Vorstellungen miteinander zu verbinden und mit diesem Mix die Zukunft für die Kinder zu retten - also das umzusetzen, was in Sonntagsreden immer wieder gerne versprochen werde.
BNN 21.01.2013
Text: Ralf Joachim Kraft
Fotos: Martina Holbei
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