Die Kindernothilfe und terre des hommes kritisieren Menschenrechtsverletzungen und Verstöße Deutschlands gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Dies ist das Ergebnis des „Schattenberichtes Kindersoldaten“, den die beiden Organisationen in Berlin vorstellten. Er deckt erhebliche Defizite der Bundesregierung im Umgang mit ehemaligen Kindersoldaten in Deutschland auf. Kindernothilfe und terre des hommes kritisieren außerdem die Rekrutierung von unter 18-jährigen Freiwilligen durch die Bundeswehr.
Mindestens 500 ehemalige Kindersoldaten leben Schätzungen zufolge derzeit in Deutschland. Sie müssen komplizierte und belastende Asylverfahren durchlaufen. Kinderspezifische Fluchtgründe wie Zwangsrekrutierung, Missbrauch oder die Ermordung der Eltern spielen dabei asylrechtlich keine Rolle. „Der Umgang mit ehemaligen Kindersoldaten in Deutschland ist unmenschlich und völkerrechtswidrig. Obwohl sie schlimmste körperliche und seelische Verletzungen erlitten haben, werden sie bis auf wenige Ausnahmen nicht als politische Flüchtlinge anerkannt und leben in Deutschland nur mit einer Duldung – einer ausgesetzten Abschiebung“, erklärte Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte bei terre des hommes. Die Angst vor der Abschiebung traumatisiere sie zusätzlich. Abschiebungen von Minderjährigen aus Konfliktgebieten wie Afghanistan oder dem Irak finden statt, darunter könnten auch ehemalige Kindersoldaten sein. „Das Ausländerrecht hat in Deutschland derzeit Vorrang vor dem Kinderrecht: Zuerst ist man Ausländer, dann Kind. Das muss dringend geändert werden: das Wohl der Kinder muss Priorität haben, wie es die UN-Kinderrechtskonvention vorschreibt“, so Ralf Willinger. Diese Kritik teilt auch die EU-Kommission in einem kürzlich veröffentlichten Bericht.
Zweite zentrale Forderung von Kindernothilfe und terre des hommes ist die rechtliche Festschreibung von 18 Jahren als Mindestalter für die Aufnahme in die Bundeswehr. Die Bundeswehr beschäftigt nach eigenen Angaben in diesem Jahr 304 Soldatinnen und Soldaten unter 18 Jahren in den Streitkräften. Andererseits kritisiert die Bundesregierung den Einsatz von Kindersoldaten in Asien, Afrika und Lateinamerika. „Der Protest wäre glaubwürdiger, wenn sich die Bundesregierung für einen klaren Standard, also keine Aufnahme von unter 18-Jährigen in die Bundeswehr („straight 18“) entscheiden würde“, erläuterte Barbara Dünnweller von der Kindernothilfe. „Wir fordern daher von der Bundesregierung eine Änderung der Rechtslage.“
Der heute vorgestellte „Schattenbericht Kindersoldaten“ wurde vom Rechtswissenschaftler Dr. jur. Hendrik Cremer im Auftrag von Kindernothilfe und terre des hommes verfasst. Beide Organisationen gehören der Deutschen Koordination Kindersoldaten an, einem Bündnis von zehn Nichtregierungsorganisationen, die Mitherausgeber des Schattenberichts ist. Der „Schattenbericht“ kommentiert den offiziellen deutschen Bericht an die Vereinten Nationen, in dem die Bundesregierung darlegt, auf welche Weise sie den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention nachkommt, die Kinder vor dem Missbrauch als Soldaten zu schützen. Er ist Bestandteil des Staatenberichtsverfahrens an die Vereinten Nationen, des bislang einzigen Kontrollinstruments zur Einhaltung der Kinderrechtskonvention.
terre des hommes und Kindernothilfe engagieren sich mit Projekten vor Ort und mit Lobbyarbeit gegen den Einsatz von Minderjährigen in bewaffneten Konflikten. Weltweit leben schätzungsweise 250.000 bis 300.000 Mädchen und Jungen als Kindersoldaten, allein 120.000 von ihnen in Afrika. Sie müssen kämpfen, Boten- und Kochdienste verrichten, schwere Lasten tragen und werden sexuell missbraucht, gefoltert und ermordet.
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